Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
Als letzte Gruppe unter den Rundfunkveranstaltern im Land sind die Freien Radios noch nicht über DAB+ zu empfangen. Die Zeit drängt allerdings, denn nur bis 2029 hat die KEF dem öffentlich-rechtlichen Hörfunk eine Finanzierung eines Simulcast-Betriebs (Ausstrahlung DAB+ und UKW) bewilligt. Ab 2029 sollen nur noch Verbreitungskosten für DAB+ anerkannt werden. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Ministerpräsidentenkonferenz ein eindeutiges politisches Signal setzen wird.
Damit die Meinungsvielfalt der zehn Freien Radios in Baden-Württemberg nicht ins Abseits gerät und die HörerInnen ihnen auch in Zukunft treu bleiben können, muss nun eine Verbreitung über DAB+ im Simulcast auf den Weg gebracht werden.
Die LFK schätzt die Kosten für den Endausbau (80% der Bevölkerung ‚good indoor‘-Empfang) von einem landesweiten DAB+-Netz und einem in vier Multiplexe gegliederten Regionalnetz auf “knapp 14 Millionen Euro”. Der jeden Winkel des Landes abdeckende landesweite Kanal hätte demnach geschätzte Betriebskosten (inkl. Amortisierung der Investitionskosten) von ca. 6 Mio. p.a. Der derzeitige, nur bedingt landesweite DAB+-Kanal entlang der großen Autobahnen der privat-kommerziellen (Kanal 11B) kostet ca. 1,2 Mio. € pro Jahr.
Die Freien Radios im Lande streben an, nach Ende des Simulcast-Betriebs ein flächendeckendes Regionalnetz – während der Simulcast-Phase als Multiplex mit den vorhandenen 13 Programmen der Freien Radios und Hochschulradios – aufzubauen; danach den Betrieb in vier regionalen Multiplexen zu gewährleisten. Voraussetzung ist, dass sie ähnliche Rahmenbedingungen wie der SWR aus dem dafür vorgesehenen Rundfunkbeitrag erhalten.
Wir sind nach den Wildwestmethoden bei der UKW-Versteigerung auch davon überzeugt, dass nur die Kontrolle des – terrestrischen – Hörfunk-Vertriebs durch die Rundfunkveranstalter selbst demokratietauglich ist.
Zur Finanzierung schlagen wir vor,
- im Landesmediengesetz den zweiten Vorwegabzug für den SWR, (gesetzlich mindestens 1,6 Mio. €) für den Ausbau des DAB+-Bedarfs der Freien Radios und Hochschulradios im Simulcast-Betrieb umzuwidmen.
Dem SWR würde das Geld nicht verloren gehen: Die Infrastruktur soll durch die gemeinsame Betriebsgesellschaft bevorzugt an Standorten des SWR aufgebaut werden. Eine teilweise Refinanzierung des SWR über Standortmieten ist darüber möglich. Entsprechende Angebote des SWR zur Standortmitbenutzung liegen vor.
- den von den Medienanstalten zu verteilenden Anteil an der Rundfunkgebühr wieder auf 2% zu erhöhen (aktuell: 1,898%).
- Die Investitionskosten zum Aufbau der DAB-Multiplexe und Sendertechnik könnte aus Mitteln der Digitalisierungsoffensive ab 2020 gefördert werden.
Leider können wir derzeit keinen aktiven Gestaltungswillen der Landesregierung beim nötigen Ausbau der digitalen Zukunft des Hörfunks jenseits des SWR erkennen.
Eine Roadmap für eine breite DAB+-Infrastruktur mit allen Veranstaltern ist für uns nicht ersichtlich. Nach unserem Eindruck wird auf die Segnungen des künftigen Mobilfunkstandards 5G gesetzt, der aber als Rundfunkstandard nicht nur hinsichtlich Datenschutz/Rechtsstaatlichkeit (Big Data, mangelnde Netzneutralität usw.) ist, sondern sich sowohl für Nutzende wie Veranstalter als wesentlich teurer und noch weniger flächendeckend darstellt.
Das Zeitfenster für eine gestaltende, demokratiefördernde Handlungsweise zur Stabilisierung einer vielfältigen Hörfunklandschaft im Lande ist für Ihre Landesregierung nur noch sehr eng.
Die Handlungsoption vor allem dem Markt die Entscheidung zu überlassen, war und ist, wie die letzten Jahre nachdrücklich belegen, jedenfalls keine gute Option!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Assoziation Freier Gesellschaftsfunk (AFF)
Durchschrift an Fraktionen außer AfD; Verbände, SWR, LfK-Gremien, Hochschulradios