… bisschen stressig so ein Piratensender.
Peter Lustig, 1982, in: Löwenzahn
Hoffentlich erwischen die mich nicht.
Von Frequenz-Besitzern & Frequenz Besetzern
Wenn Gesellschaft gerechter werden soll, muss auch die Öffentlichkeit, müssen die Medien gerechter werden. Wer spricht für wen? Worüber? Wer hört überhaupt zu und wer kann auf gleiche Weise antworten? Was könnte Rundfunk sein, was braucht es dafür und woran mangelt es? Am 29. Oktober 2023 wird das Radio in Deutschland 100 Jahre alt. Das Jubiläum diesen alten Mediums ist Anlass, im Spannungsverhältnis von emanzipatorischem Anspruch und rauen Radiowirklichkeiten Ideen für die Zukunft auszuloten.
30 Radios fahren Sonderprogramm
In Live-Diskussionen, Features, Interviews und anderen Formaten dreht sich zwei Tage lang alles um die Geschichte, Gegenwart und Zukunft Freier Radios. Die Sendungen werfen einen Blick zurück auf die Arbeiterradiobewegung, die Freie Radio Bewegung, Piratenradios im Realsozialismus und ostdeutsche Radiopiraterie nach 1989. Sie erweitern die Perspektive um internationale Erfahrungen Freier Radios und rufen emanzipatorische Radio- und Medientheorien ins Gedächtnis. Sie betrachten die aktuelle Übernahme des Begriffs »Alternativmedien « durch rechte Strömungen und fragen nach berechtigter Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und in all dem suchen sie nach Perspektiven für eine Demokratisierung der Öffentlichkeit.
Knapp 30 Freie Radios im deutschsprachigen Raum übertragen das gemeinsame Programm in ihrem Sendegebiet auf UKW, im Kabel oder über DAB+. 8 davon auch aus Baden-Württemberg. Beteiligt sind Radioinitiativen in Brandenburg & Berlin, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Eschwege, Flensburg, Freiburg, Freudenstadt, Halle, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig, Mannheim, Marburg, München (nachträgliche Ausstrahlung), Neumünster, Nürnberg, Frankfurt (Oder), Rostock, Schwäbisch Hall, Stuttgart, Tübingen, Ulm, Wien, Zittau und Zürich.
dank Zeitumstellung sogar eine Stunde länger: 49 h on Air.
Jan Pinseler, Professor für Medienforschung an der Hochschule Magdeburg-Stendal: Die Diskussion darüber, was Radio auch in Zukunft sein kann, wird in Deutschland gerade so intensiv geführt, wie schon lange nicht mehr. Bei den bundesweiten Sendetagen der Freien Radios wird die Debatte
erweitert und auch über das Spannungsfeld zwischen Ansprüchen und alltäglicher Praxis bei Öffentlich-Rechtlichen und Freien Radios diskutiert werden.
Jan Bönkost lebt in Bremen und promoviert zur Freien-Radio-Bewegung: Allein in der BRD gab es Anfang der 80er Jahre über 100 illegale politische Radioinitiativen. Sie sind die Vorläufer der dritten Säule des dualen Rundfunksystems: der nicht-kommerziellen Lokalradios.
Andreas Reimann, Geschäftsführer von Radio Dreyeckland (Freiburg): Das Radio kann immer noch ein aufklärerisches Moment sein. Dass unser politischer Charakter auch weiterhin nicht überall gern gesehen wird, zeigt die für rechtswidrige erklärte Durchsuchung unserer Redaktionsräume
im Januar.
Alex Körner promoviert zur Geschichte und Gegenwart Freier Radios: Lizenziert und zum Teil finanziell gefördert von Landesmedienanstalten erfüllen Freie Radios heute von den Gesetzgebern mehr oder minder anerkannte Funktionen im bundesdeutschen Mediensystem. Diese Rahmenbedingungen des Legalen haben die Freien Radiosender verändert. Dennoch braucht es weiterhin andere Medienpraktiken – solche, die Kommunikation als Intervention in gesellschaftliche Verhältnisse begreifen.
Eine Kooperation des Projektes 100 Jahre anderes Radio und des Bundesverbandes Freier Radios (BFR).
Kontakt: freundeskreis@anderesradio.de